25. Oktober 1969(Das folgende Gespräch ergab sich infolge zweier Briefe des jungen indischen Schülers, der A.R., den Heiler, in seiner Zurückgezogenheit begleitete.)
*** Hast du Bruder A [[Ein katholischer Mönch, der vor ungefähr einem Jahr in den Aschram gekommen war und den Heiler getroffen hatte. Als Folge dieser Begegnung sprach A.R. von seiner "Mission des Heilens."]] gesehen?... Er hat sich sehr verändert - sehr. Er ist unvergleichlich besser als vorher. Es scheint, er war bei den Buddhisten. Er wollte zu Vinoba Bhave gehen, aber ich glaube nicht, dass er dort lange geblieben ist, denn jetzt kommt er von einem buddhistischen Kloster.
Ich weiß es nicht ... Er will nicht nach Frankreich zurückkehren, denn er sagt, er würde dort "belästigt" werden. Er will in ein Kloster in Griechenland gehen und später hierher zurückkehren ... Aber er hat sich sehr verändert, wirklich. Und der andere ... [der Heiler], das klingt ja ziemlich amüsant.
Er ist sehr amüsant. (Mutter lacht) Bei einem gewöhnlichen Bewusstsein wäre dies Anmaßung. Bei ihm ist es eine Art Spontaneität. Das ist sehr amüsant. Aber die beiden [A.R. und Bruder A] haben sich recht gut verstanden; sie sagten, sie würden sich wiedertreffen, sie haben sich verabredet ... ich weiß nicht wo. Das ist amüsant.
(Mutter lacht) Wenn er Erfolg hat, wird es interessant sein. Das halte ich davon. Ist es eine Illusion oder ein Versprechen? Ich weiß es nicht ... Mit seinem Leistenbruch ist es recht interessant, denn als du mir davon erzähltest, konzentrierte ich mich und schaute. Ich sah die Kraft, wie sie kam, und ich realisierte: Wenn er den Leistenbruch wieder nach innen brächte, würde er nicht wieder heraustreten - das ist schon wunderbar genug. Aber er sagt, dass er von allein nach innen gelangen soll, ohne äußere Intervention ... Das ist ... viel weiter auf der Skala. Wenn das geschieht, dann alle Achtung! Ich weiß nicht, wir werden sehen.
Oh, ja. Das ist unmöglich. Das ist eine Albernheit.
Besonders hier, wo so viele Leute sogenannte Wunder gewirkt haben.
Ach so!
Meine Güte! Das ist eine Kinderei.
Aber man muss ihn machen lassen.
Nein. Er glaubt das nur, weil er ungebildet ist. Aber bedenke: alles ist möglich! Schließlich bin ich nicht ganz sicher, ob Christus nicht auch Wunder gewirkt hat.
Oh, das wird uns gesagt ... aber wir waren nicht dabei (Lachen).
(Mutter lacht) Oh, ja. (Schweigen) Angeblich sagte Christus jedoch selber, er werde "mit dem Schwert Gottes" zurückkehren - also ganz und gar nicht mehr dasselbe. Ich glaubte nicht daran, das fiel mir sehr schwer - erst Sri Aurobindo brachte mich dazu, an die physische Realität von Christus zu glauben. Ich dachte immer, das sei bloß so eine Geschichte - man hätte irgend jemanden genommen und eine Geschichte daraus gemacht. Aber Sri Aurobindo glaubte daran. Er sagte, Christus sei ein Awatar gewesen - ein partieller Awatar. (Schweigen)
Alles, was ich sagen kann, ist, dass von all den Leuten, die er hier behandelt hat, nicht einer wirklich geheilt wurde - alle erlitten Rückfälle. Und aus meiner Sicht liegt dies daran, dass hier nur diejenigen krank sind, die krank sein SOLLEN. Es kann also keine supramentale Macht sein. (Schweigen) Er bat darum, mich heute zu sehen. Ich werde ihn empfangen. Natürlich sage ich nichts, und wenn er spricht, höre ich nicht. Aber ich werde versuchen zu SEHEN. Nach dem, was er sagt und was ich bis jetzt gesehen habe, spürt er eine Harmonie, die über die Schöpfung hinausgeht und die sich noch nicht völlig manifestiert hat und die sich durch ihn manifestieren wird ... Darin liegt etwas Wahres, aber anstatt sich durch eine einzelne Person zu manifestieren, will diese Harmonie auf die ganze Erde herabkommen. Das habe ich gesehen. Das Kindliche an seiner Einstellung ist, dass er es als etwas Persönliches nimmt - das ist alles. Dies ist mein Eindruck. Aber dass diese Harmonie herabkommen will und sicherlich zur neuen Schöpfung beitragen wird, das erscheint mir richtig. Der Erfolg in der Welt ergibt sich immer aus einer ... (wie soll ich sagen?) einer Verminderung und Personifizierung der Dinge. Zum Beispiel liegt für mich nichts Erstaunliches darin, dass er Wunder wirkt, denn etwas, das für ein erleuchtetes Bewusstsein - für das WahrheitsBewusstsein - eine logische Konsequenz ist, wird für ein nicht erleuchtetes Bewusstsein einem Wunder gleichkommen. dass er sich eine Reputation macht als Wunderwirker, würde mich nicht erstaunen. Vielleicht ist er dazu bestimmt, so etwas zu werden ... Das ist amüsant. (Mutter lacht) Er hat genau die Naivität (die Naivität der Unwissenheit), die bewirkt, dass er kein Mental hat, das sich sieht und lächelt. Er ist voll mit seiner Überzeugung identifiziert - diese Verfassung passt den Leuten, sie stecken noch voll da drin. Wir werden sehen.
Oh, nein, ganz und gar nicht. Überhaupt nicht.
Nein.
Er hat das Licht hier nicht gesehen. Er ist in seiner eigenen Realisation eingeschlossen.
Nein, nein. Das ist amüsant, mein Kind. Man muss es lassen, man muss die Dinge sehen. (Mutter lacht ironisch) Du kannst ihn NACHHER sehen. Ich bestehe darauf, ihn vorher zu sehen - du würdest etwas in ihn hineinpflanzen ... Nein, nein. Ich will ihn sehen.
Ich kann darüber hinausgehen.
Das macht nichts. (Mutter lacht) Das macht nichts, mein Kind. Das ist sehr amüsant (Mutter lacht hellauf) ... Weißt du, die Erleuchtung DER WAHRHEIT zu empfangen, ist eine solche Gnade - ich weiß nicht ... wenn sie wirklich für ihn ist, wird er sie haben, und das möchte ich wissen. Wenn er sie nicht empfängt, dann bedeutet das ... (Mutter macht eine weite, rhythmische Geste), er ist Teil des unermesslichen Spiels. (langes Schweigen) Er kommt heute. Ich hatte ihm gesagt, er solle nachher zu dir gehen, so kannst du spüren, ob ... irgend etwas nachgegeben hat.
Er kommt gegen halb vier - ich werde ihn nicht lange dabehalten. Ah ... er hat nicht gelernt, sich auf den Boden zu setzen, oder?
Mit seinem Leistenbruch ist es vielleicht nicht ...
Also gut. (Schweigen)
Ja, ja.
Ja, das stimmt.
(Mutter lacht) Aber ich bin überzeugt, dass es für ihn keinen Unterschied machte, als ich ihn das erste Mal sah: er war völlig in seiner eigenen Schöpfung eingeschlossen. Es ist trotzdem eingedrungen, aber er empfand es nicht als etwas Neues ... Die Subtilität des Unterscheidungsvermögens kommt von einer Verfeinerung des Bewusstseins, die nicht jedem zugänglich ist. Die Subtilität des Unterscheidungsvermögens.
(nach einem Schweigen) So wie ich ihn sehe, liegt das daran, dass es sich für ihn durch ein persönliches Bewusstsein manifestieren muss. Ein "persönliches Bewusstsein" heißt: jemand [Mutter], der "sich bewusst ist, das Göttliche zu tragen", und der fühlt "ich trage das Göttliche". Verstehst du? Wenn dies nicht da ist (das Göttliche ist da, aber die Person hat nicht die Haltung "ich bin das Göttliche"), dann kann er es nicht fühlen. Und ich gehe noch weiter: Ich glaube nicht, dass viele Europäer oder westliche Menschen es fühlen können. Die Inder können das wegen ihres Atavismus. Während alle Inder, die verwestlicht sind, es nicht fühlen können. Sie brauchen das Gefühl der Person, die sagt: "Ich bin". Mein Körper hingegen ... (lachend) mein Körper hat den Zustand überschritten, wo er sagt: "Ich bin". Allein die Idee bringt ihn schon zum Lachen. Daran liegt es.
Hast du den Unterschied gespürt?
Ach!
Ja.
Ja, so ist es. Genau das ist es.
Ja, das ist es. Aber das ist der Daseinsgrund dafür (Mutter berührt ihren Körper), für die Gegenwart hier. Damit es ... von innen kommt - keine wunderbare Herabkunft.
Aber ihn hat das nur noch mehr in seiner Überzeugung bestärkt, verstehst du? Er fühlte sich sehr wohl [bei Mutter]. Deshalb sagte ich dir, dass sein physisches Ego nicht fortgegangen ist ... Es erschien ihm ganz natürlich. Er muss sich sehr wohl gefühlt haben. (Schweigen) Mein Zustand ist jetzt so geworden, dass, sobald der Körper SICH FÜHLT (d.h. sich bewusst ist, ein Körper zu sein), AUGENBLICKLICH ein Unbehagen entsteht, wie auch immer seine Verfassung ist. Selbst wenn er sich in einem Zustand der Anbetung oder Aspiration befindet, ist es von Unbehagen begleitet; und nur wenn er keinerlei Empfindung seiner abgetrennten Existenz mehr hat, fühlt er sich wohl. Der normale Zustand ist Schweigen und Reglosigkeit, aber ... Wie soll ich das erklären? Das Bild ist nicht richtig, aber wenn die Gegenwart nicht "hindurchgeht", sondern so ausstrahlt (Geste), in einer Tätigkeit, geht alles gut, und es besteht überhaupt nicht mehr das Gefühl eines "Körpers", durch den das Göttliche hindurchgeht. Er ist so (reglose Geste), reglos und inexistent, er hat kein Bewusstsein von sich selbst sondern nur ein Bewusstsein von ... der göttlichen Aktion. Dann geht alles gut. Sobald der geringste Eindruck aufkommt, dass die Sache durch ihn "hindurchgeht", kommt das Unbehagen. Das ist zu einem sehr akuten Zustand geworden. Ich könnte sagen (das hört sich wie Literatur an): In dem Zustand, wo er sich selber nicht mehr spürt oder wo nur noch das göttliche Bewusstsein existiert, ist es das Gefühl der Unsterblichkeit, der Ewigkeit; sobald er sich jedoch auch nur im geringsten als "etwas" spürt, in dem sich das Göttliche manifestiert, wird es absolut zu einem Gefühl des Todes - man wird sofort wieder sterblich. Ein überaus klarer Eindruck. Und das ist sehr subtil, denn ... das Gefühl (die Empfindung, die Wahrnehmung) eines "Ich" ist völlig verschwunden - ständig - wirklich völlig verschwunden; aber sobald er sich als "etwas" spürt, das noch ein wenig anders ist, wird es schrecklich schmerzhaft - ein völliges Wohlbefinden kennt er nur, wenn er sich selbst nicht mehr spürt. Das ist schwierig zu erklären, aber so ist es. (langes Schweigen) Das muss es sein ... Es gibt unzählige Bewusstseinsschichten. Die Entwicklung (die universale Entwicklung) hat in fortschreitendem Maße die Bewusstwerdung einer jeden Schicht ermöglicht, und je entwickelter man ist, um so mehr verschiedene Schichten kann man wahrnehmen, aber erst wenn man sich ALLER Bewusstseinsschichten bewusst ist und sie zu einer einzigen Einheit werden (aber einer Einheit, die sich ihrer Vielfältigkeit bewusst ist), erst dann kann sich das höchste Bewusstsein, das ganz in der Tiefe liegt, voll manifestieren. Es gibt noch Schichten im Körper, die nicht voll bewusst sind; manche Schichten bleiben noch wie ein Rückstand alles Vorhergegangenen: Mineral, Pflanze, Tier, all das. Der ganze bewusste Teil der Zellen ist voll erleuchtet, aber ... übrigens braucht man nur zu sehen: (Mutter zeigt auf die Haut ihrer Hände, sichtbar untransformiert) ... Er ist ÄUSSERST sensibel geworden, der geringste Stoß verursacht ... Äußerst sensibel ... Er scheint nicht mehr dieselbe "Dichte" zu haben ... doch der äußere Anschein ist noch ganz derselbe. Diejenigen, die eine innere Schau haben, sehen etwas (eine andere Form von Mutter), aber nur weil sie die Fähigkeit einer inneren Schau haben. Und das ist der Grund (dieser Rückstand). Das Bewusstsein der Zellen, sozusagen das "innere" Bewusstsein der Zellen, ist durch und durch bewusst, aber es bleibt noch etwas zurück (der Rückstand, Mutter macht eine Geste wie eine umgebende Kruste). Und diese Arbeit hat ein Mann wie A.R. nicht gemacht: bei ihm ist es eine Art verschwommenes globales Bewusstsein. Er ist sich durchaus einer Kraft bewusst, die "stärker ist als sein Körper" und die sich seines Körpers "bedient" ... In der Welt ist das sehr nützlich, und es kann allerlei Dinge zustande bringen. Aber er ist nicht für die Transformation bereit, verstehst du: er selbst, sein Körper. Er hat eine Art innerer Gewissheit, dass es sein KANN, aber ... Ich weiß nicht ... Es sei denn, der Herr will, dass es so sei; das wäre amüsant - das würde mich wirklich sehr amüsieren.
Ja, er spricht davon.
(Mutter lacht) Das ist es ja! Ich hab dir das schon gesagt, ich habe die Erfahrung gemacht, als ich ihn sah: Als er sich verabschiedete, wollte ich seine Hand berühren, um zu wissen - und ich berührte eine HAND, verstehst du? Ich berührte eine Hand (Mutter deutet eine Härte an), da war seine Hand - ich berührte nicht das Göttliche sondern eine Hand ... Ich glaube, er hat den Eindruck, dass die Kraft DURCH seine Hand wirkt.
Hat er immer diesen Eindruck?
Ich auch. Als er dasaß, sah ich die Kraft unentwegt in ihn herabkommen, aber trotzdem war da ein Herr namens A.R.
Nein. Aber das Bewusstsein, das da ist (Geste oberhalb Mutters), ist sich sehr bewusst, dass dies (Mutter berührt ihre Hände) keine Hände sind. (Mutter lacht) So sehr man es auch versucht, sie sind es nicht! Es mag ein verfeinerter Körper sein, aber keine Hände. Wenn ich jedoch dasitze und jemand hier ist, ist mein Körper sich seiner selbst nicht mehr bewusst; er ist sich absolut nicht bewusst, dass eine Kraft durch ihn fließt, er ist sich seiner selbst nicht bewusst - in dem Augenblick gibt es nur noch die Wirkung der göttlichen Gegenwart. Er wird sich der Empfänglichkeit der anderen bewusst, der Aktion, die diese Kraft bei den anderen auslöst, all das - aber der Körper selber existiert nicht mehr. Dies ist allerdings nur ein Anfang. Was wird geschehen?... (Schweigen) Alles, was im Körper bewusst ist, hat nur noch eine einzige Bewegung: dass kein Unterschied mehr bestehe. Das ist alles. Und keineswegs der Eindruck, hier oder da zu "ziehen" oder nach oben zu "steigen" - nein: kein Unterschied mehr. Die Diskrepanz wird immer schmerzlicher - viel schmerzlicher als eine Krankheit (es ist nicht dasselbe: eine Art innere Beklemmung). (Schweigen) Du wirst ihn heute Abend sehen, nach seinem Besuch (Mutter lacht belustigt).
***
25. Oktober 1969
Dein etwas "verwirrtes" Kind, in Liebe, Satprem
(Mutters Antwort)
Mutter @ |